Als ich im September 1968 eingeschult wurde, war die Struktur der Klasse übersichtlich. 25 deutsche Schüler, die meisten katholisch, nur 2 evangelisch – und 3 Gastarbeiterkinder. Der Rüstü und der Recep aus der Türkei und der Nino aus Italien. Die drei waren arme Tröpfe. Sie wurden von Anfang an, ohne ein Wort Deutsch zu können, einfach in die Klasse gesetzt und mussten schwimmen lernen. Inklusion gab es noch keine. Aber von mindestens 2 von ihnen weiß ich, dass sie im Lauf der Zeit gute Schwimmer geworden sind.
Lesen, Schreiben, Rechnen – Übung machte den Meister. Und das alles ohne KI-Unterstützung. Das Tablet damals hieß Schiefertafel, der PEN wurde Kreide genannt. Der Tafeldienst musste mit seinem stets stinkenden Schwamm dafür sorgen, dass nach jeder Unterrichtsstunde die grüne dreiflügelige Wandtafel, die der Lehrer vollgeschrieben hatte, so sauber gewischt wurde, wie es das Handwerkszeug zuließ.
Das kleine 1×1 wurde drillmässig abgefragt. Und es gab leistungsbezogene Zensuren, ohne daran zu denken, dass die Schwächeren dadurch diskriminiert würden.
Es gab auch die sogenannte Schülerspeisung . In der grossen Pause am Vormittag konnten die Schüler sich ein trockenes Mohnbrötchen und einen Plastikbecher mit Aludeckel und Kakao-Inhalt beim Stand des Hausmeisters abholen. Das Ganze war aber nicht kostenlos, die Eltern wurden dafür zur Kasse gebeten.
Am Nachmittag war früh Schluss und alle gingen nach Hause. Eine Ganztagsbetreuung war kein Thema, da die Mütter der Schulkinder normalerweise zu Hause waren und sich dem Nachwuchs widmen konnten.
Und von wegen 5-Tage-Woche, bis Mitte der 70er gab es auch samstags Schule. Sehr zum Leidwesen von Schülern und Lehrern.
Einmal im Jahr war Ausflugstag. Hunderte von Schülern pilgerten zum Bahnhof und wurden mit einem Sonderzug in den schönen Schwarzwald zum Wandern mit Grillfeuer transportiert.
Religionsunterricht war alternativlos, und ich erinnere mich noch gut daran, wie die Schwester Donata ( übersetzt: “die Geschenkte”) zu Beginn der katholischen Religionsstunde mit seitlich ausgestreckten Händen zwischen den Tischreihen dahinschritt, um den sogenannten Missionspfennig für die Kinder in Afrika einzusammeln. Die Gabe war freiwillig, aber es empfahl sich, ihr zumindest einen Zehner in die Hand zu legen. War ja schliesslich für einen guten Zweck.
Die Eltern hielten sich an die Empfehlung für weiterführende Schulen. Es sei denn, sie waren als Akademiker mit intellektuell weniger leistungsfähigem Nachwuchs gesegnet. Dann gings trotzdem aufs Gymnasium. Ohne Abitur kein Medizinstudium.
Die wenigen Schüler auf dem Gymnasium, die ausländisch anmutende Nachnamen trugen, waren meistens Kinder von Ärzten, selbstverständlich aus legaler Zuwanderung.
Überhaupt waren die Gymnasien noch recht “elitär”. Man musste als Schüler dort überdurchschnittlich intelligent sein oder reiche Eltern haben. Die (damals richtig teure) Mitgliedschaft im örtlichen Tennisclub war oftmals ein Pluspunkt in den Augen der ehrenwerten Gymnasial-Professoren.
Die Lehrer waren noch wer und hatten grundsätzlich recht – wie der Pfarrer und der Doktor. Ich kann mich auch an keinen Fall erinnern, dass Eltern oder gar ein Schüler einen Lehrer bedroht hätten. Früher gab es vielleicht vereinzelt Beschwerden über Lehrer, die von der Schulleitung aber grundsätzlich abgebügelt wurden.
Welche Erinnerungen habt Ihr an Eure frühe Schulzeit?
Hier noch ein paar wissenschaftliche Gedanken der KI zum Thema:
Struktur des Schulwesens
Die Grundstruktur des deutschen Schulsystems war in den 1970er-Jahren bereits föderal (also von den Bundesländern geregelt) und weitgehend dreigliedrig, wie auch heute:
- Grundschule (Klasse 1–4)
- Danach aufgeteilt in:
- Hauptschule (Kl. 5–9)
- Realschule (Kl. 5–10)
- Gymnasium (Kl. 5–13, teils bis 12)
- Berufsausbildung oder Studium nach Abschluss
Diese Struktur war in der Praxis teils starr, wurde aber durch Reformansätze zunehmend hinterfragt.
Bildungsreformen der 1970er Jahre
Die 1970er galten als Zeit der Bildungsreformen, angestoßen durch gesellschaftliche Umbrüche und politische Impulse (vor allem durch SPD und FDP). Wichtig waren:
– Ziele der Reformen:
- Mehr Bildungsgerechtigkeit
- Durchlässigkeit zwischen Schulformen erhöhen
- Moderne Lehrpläne
- Ausbau von weiterführenden Schulen (v. a. Gesamtschulen)
- Bessere Ausbildung von Lehrkräften
– Konkret umgesetzt wurden:
- Einführung der Orientierungsstufe (Kl. 5–6) in vielen Bundesländern → spätere Entscheidung über Schulform
- Gesamtschulen als Modellprojekte (insbesondere in NRW, Hessen, Berlin)
- Abschaffung des Schulgelds (bereits Ende der 1960er begonnen)
- Erweiterung der Gymnasien – mehr Kinder aus Arbeiterfamilien besuchten das Gymnasium
- Ausbau der Berufsschulen und beruflichen Bildung
Lehrpläne & Unterricht
- Neue pädagogische Konzepte: Schülerorientierter Unterricht, Diskussion, Gruppenarbeit
- Themen wie Demokratie, Umweltschutz, Sexualkunde, Aufarbeitung der NS-Zeit hielten Einzug
- Fächerstruktur: Noch stark klassisch, aber zunehmend ergänzt durch „Lebenskunde“, „Sozialkunde“, „Politik“
- Lehrmaterial wurde modularer und kritischer – stärkere Betonung auf Mündigkeit statt bloßem Auswendiglernen
Schülerzahlen & Bildungsexpansion
- Deutlicher Anstieg der Schülerzahlen, vor allem im Gymnasium
- Mehr Mädchen auf höheren Schulen
- Verstärkte Lehrerbildung durch neue Hochschulreformen
- Zahl der Studierenden stieg massiv – durch Ausbau der Universitäten und Einführung neuer Hochschultypen (z. B. Fachhochschulen)
Soziale Aspekte
- Bildung wurde zunehmend als Bürgerrecht verstanden
- Herkunft bestimmte jedoch weiterhin stark den Bildungserfolg
- Kinder aus Arbeiterfamilien hatten seltener Zugang zum Gymnasium, trotz Reformversuchen
- Schülerbewegung und 68er-Generation wirkten nach – mehr Politisierung auch in den Schulen
Schulrecht & Schulpflicht
- Schulpflicht: 9 Jahre Vollzeit-Schulpflicht, anschließend Berufsschulpflicht bis 18 bei Ausbildung
- Religionsunterricht war (je nach Bundesland) weiterhin Pflichtfach
- Koedukation (gemeinsamer Unterricht von Jungen und Mädchen) war in den meisten Bundesländern eingeführt oder im Übergang
Typisches Schulbild in den 70er Jahren
- Klassenzimmer mit grüner Tafel, Schwamm, Kreide
- Sitzenbleiben war häufig akzeptiert und weit verbreitet
- Disziplin und Leistung galten noch als zentral, wurden aber zunehmend infrage gestellt
- Lehrer galten teils noch als Autoritätspersonen, neue Generation von Lehrkräften versuchte sich in demokratischerer Pädagogik
Einflüsse der Zeit
- Gesellschaftlicher Wandel spiegelte sich im Unterricht: z. B. Diskussionen über Vietnamkrieg, Atomkraft, Frauenrechte
- Erste Medienpädagogik (Film, Fernsehen) zog ein
- Neue Schülerzeitungen, politische Arbeitsgruppen, Schülervertretungen
Wie sind Eure Erinnerungen an die Schulzeit damals?