Der Versandhandel in den frühen 70er Jahren war eine einzige Erfolgsgeschichte für alle Teilnehmer. Ein Highlight für uns Kinder war jedes Mal das Eintreffen der Versandhauskataloge. Die dicken Wälzer wurden 2 Mal im Jahr vom Postboten verteilt, ein Frühjahr-Sommer Katalog und ein Herbst-Winter Katalog. Neckermann und Quelle zeigten auf mehreren hundert Seiten, was man alles kaufen konnte. Und man konnte wirklich alles kaufen, was man sich als Kind vorstellen konnte. Man konnte mehr kaufen als in allen Geschäften in der Stadt zusammen. Der Versandhandel in den frühen 70er Jahren war eine Revolution im Einkauf.

Die Verkaufsautomaten im Wohnzimmer in den frühen 70er Jahren

Die Auflagen der Kataloge waren riesig, variierten von 4 bis 6 Millionen Exemplaren je Saison, und das bei 60 Millionen Einwohnern damals.

So ein Katalog hatte Herstellkosten von 3 bis 5 Mark, aber der Versandhandel in den frühen 70er Jahren florierte und ersterer galt als “Verkaufsautomat im Wohnzimmer”. Für die Käufer waren die Kataloge ein Wegwerfprodukt – spätestens wenn der neue kam, flog der alte in den Müll. Damals eigentlich nichts wert, heute ein teures Sammelobjekt: Gut erhaltene Kataloge aus den 70er Jahren werden zu Preisen bis zu 100 Euro gehandelt. Hätte ich das damals gewusst, hätte ich die Dinger vor den Türen der Nachbarschaft, wo sie der Postbote normalerweise abgelegt hat, eingesammelt und für ein paar Jahrzehnte aufbewahrt. Hinterher ist man immer schlauer.

In meinem Besitz befindet sich noch ein Neckermann-Katalog aus dem Jahr 1971. Bereits in diesem Jahr war das Sortiment immens. Man konnte wirklich fast alles bestellen, obwohl der Katalog mit 685 Seiten zu diesem Zeitpunkt noch relativ “dünn” war.

Das Angebot war gigantisch

Inhaltsverzeichnis Neckermann Katalog 1972 A-G, Versandhandel in den frühen 70er Jahren
Bildzitat: Inhaltsverzeichnis Neckermann Katalog 1971 A-G, eigene Abbildung

Inhaltsverzeichnis Neckermann Katalog 1972 H-P, Versandhandel in den früheren 70er Jahren
Bildzitat: Inhaltsverzeichnis Neckermann Katalog 1971 H-P, eigene Abbildung
Inhaltsverzeichnis Neckermann Katalog 1972 Q-Z, Versandhandel in den früheren 70er Jahren
Bildzitat: Inhaltsverzeichnis Neckermann Katalog 1971 Q-Z, eigene Abbildung

Das Angebot war riesig und der logistische Aufwand war ebenso riesig. Die Lieferketten waren noch nicht so ausgefeilt wie heute. Die von den Kunden gewünschte schnelle Lieferung konnte nur über hohe Lagerbestände realisiert werden.

Bein Versandhandel in den frühen 70er Jahren war bis auf ganze Autos fast alles im Angebot, sogar Fertighäuser, Versicherungen und Fernreisen. Der eine oder andere mag sich noch an den Begriff “Neckermann-Bomber” erinnern. Das waren die Flugzeuge, die für relativ wenig Geld vor allem ältere Herren nach Thailand transportierten.

Wir Kinder in den frühen 70ern waren stets begeistert von der beeindruckenden Auswahl von Süßigkeiten, die im Angebot waren, aber von den Eltern leider nie bestellt wurden. Das, was es im Tante Emma Laden einzeln zu kaufen gab, hätten wir hier in Großpackungen bekommen. Wie gesagt, es blieb stets beim “hätten”.

Neckermann 1971 Süssigkeiten und Kaffee
Bildzitat: Süßigkeiten, Quelle: Neckermann Katalog 1971, eigene Aufnahme

Viele der angebotenen Elektrogeräte, Möbel und auch Motorräder stammten aus der DDR. Im eigenen Land Mangelware, in der BRD zu Top-Preisen offeriert. Neckermann zum Beispiel hatte die Maschinen von MZ im Angebot, wobei die Abkürzung MZ für den Volkseigenen Betrieb Motorradwerk Zschopau in Sachsen stand.

Motorräder Neckermann 1971
Bildzitat: Motorräder aus der DDR, Quelle: Neckermann Katalog 1971, eigene Aufnahme

Bestellt wurde per Post

Bestellt wurde mit einer Postkarte oder einem Bestellschein im Umschlag – per Post natürlich. Man musste handschriftlich den Artikel, den Preis und die Menge eintragen. Und angeben, wie man zahlen wollte. Damals war noch die Zahlung per Nachnahme gebräuchlich. Nachnahme bedeutete, der Postbote kassierte den Betrag bar bei der Übergabe des Pakets. Das Geld wurde dann von der Post an das Versandhaus weitergeleitet.

Bekannte Kunden konnten sich einen Höchstkredit einräumen lassen und dann ihre Käufe in Raten zahlen. Eigens dafür unterhielten die großen Versandhäuser eigene Banken. Das gab jungen Familien die Möglichkeit, größere Dinge gleich zu kaufen und hinterher zu zahlen, anstatt, wie zuvor üblich, zuerst zu sparen und dann zu kaufen. So manche düstere Schrankwand und so manche farbenfrohe Küchen-Eckbank (ja, die hatte man damals) wurden auf Pump gekauft und über Monate abbezahlt. Der Geschmack der frühen 70er trifft natürlich nicht mehr ganz den heutigen Zeitgeist.

Heute retro, damals hochmodern…

Neckermann 1971 Küchen-Eckbank - die frühen 70er Jahre
Bildzitat: Küchen-Eckbank, Quelle: Neckermann Katalog 1971, eigene Aufnahme
Neckermann 1971 Wohnzimmer Möbel
Bildzitat: Wohnzimmer Möbel, Quelle: Neckermann Katalog 1971, eigene Aufnahme

Ein Kleinkaliber Gewehr für 398 Mark

Auch Waffen konnte man bestellen. Natürlich ohne Waffenschein. Kleinkaliber- und Luftgewehre für alle ab 18, und auch die Munition dazu. Heute unvorstellbar.

Waffen Neckermann 1971
Bildzitat Waffen, Quelle: Neckermann Katalog 1971, eigene Abbildung

Für die Geräte der Unterhaltungselektronik aus dieser Zeit habe ich einen eigenen Beitrag verfasst.

Von wegen “heute bestellt und morgen geliefert”

Die Lieferzeiten waren natürlich lang. Die Bestellung erfolgte auf dem Postweg, die Bearbeitung beim Versandhaus dauerte ein paar Tage, und letztendlich nahm der Pakettransport noch ein paar Tage in Anspruch. Man war glücklich, das Paket innerhalb von 2 Wochen in den Händen halten zu dürfen.

Sogenannte “Sammelbesteller” bestellten für andere mit und erhielten dafür 5 % Rabatt. Sie hatten damit allerdings die undankbare Aufgabe übernommen, das Geld bei den Mitbestellern einzutreiben und zu überweisen. Die Mitbesteller sparten sich dafür das Porto. Neckermann und Quelle unterhielten auch große Warenhäuser zum Kauf vor Ort und viele Verkaufsstellen, bei denen Bestellungen aufgegeben und nach einigen Tagen die Waren abgeholt werden konnten, auch portofrei.

Lange Zeit funktionierte das System des Versandhandels auf die herkömmliche Art wunderbar, und die Neckermänner und Quelles wurden immer reicher. Bis das Internet kam…

Mit KI-Unterstützung gesammelte Fakten zum Thema (Quelle ChatGPT):

Der Versandhandel in Deutschland in den frühen 1970er Jahren war eine bedeutende und wachsende Form des Einzelhandels, die sich in dieser Zeit vor allem durch den zunehmenden Wohlstand der Bevölkerung, die Ausbreitung des Fernsehens und des Automobils sowie die Verbesserung der Postdienstleistungen stark entwickelte. Hier eine detaillierte Beschreibung:


Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Kontext

Die Faszination für den Versandhandel in den früheren 70er Jahren bleibt bestehen, und viele erinnern sich gerne an diese Zeit zurück.

  • Wirtschaftlicher Aufschwung: Die frühen 1970er Jahre waren durch den sogenannten Wirtschaftswunder-Nachhall gekennzeichnet. Viele Haushalte verfügten über ein stabiles Einkommen, wodurch Konsum und Anschaffungen stiegen.
  • Wachsende Mobilität: Zwar fuhren immer mehr Menschen in die Städte zum Einkaufen, doch gerade im ländlichen Raum blieb der Versandhandel ein zentraler Kanal zur Versorgung mit Konsumgütern.
  • Post und Infrastruktur: Die Deutsche Bundespost war gut ausgebaut, zuverlässig und erlaubte flächendeckende Zustellung. Der Postversand war eine sichere Methode, Waren auch in abgelegene Gebiete zu bringen.

Die Kataloge des Versandhandels in den früheren 70er Jahren sind heute ein Stück Zeitgeschichte

Die großen Versandhäuser

Die Versandlandschaft wurde von einigen wenigen großen Unternehmen dominiert:

  • Quelle (Nürnberg)
    – eines der größten Versandhäuser Europas
    – hatte einen riesigen Katalog mit über 1.000 Seiten
    – bot ein Vollsortiment von Kleidung über Möbel bis zu Technik
  • Neckermann (Frankfurt am Main)
    – Slogan: “Neckermann macht’s möglich”
    – setzte stark auf aggressive Werbung und Ratenkauf
  • Otto-Versand (Hamburg)
    – etablierte sich als innovatives Versandhaus mit modernerer Ausrichtung
    – spezialisierte sich zunächst auf Textilien, erweiterte das Angebot aber stark

Der Versandhandel in den früheren 70er Jahren repräsentierte eine Zeit des Wandels


Der Versandkatalog als zentrales Medium

  • Der Versandkatalog war das zentrale Verkaufsinstrument:
    – Umfangreich (oft mehrere Hundert Seiten)
    – Hochglanzpapier mit Farbfotos ab etwa Mitte der 70er
    – Saisonabhängig: Frühjahrs-/Sommerkatalog, Herbst-/Winterkatalog
  • Kataloge wurden per Post zugeschickt und lagen auch in Filialen aus.
  • Kunden blätterten zu Hause durch die Kataloge, machten Bestellungen handschriftlich auf vorgedruckten Formularen oder telefonisch.

Die Erinnerung an den Versandhandel in den früheren 70er Jahren lebt in den Geschichten und Erlebnissen von damals weiter.


Bestell- und Lieferprozesse

  • Bestellung:
    – Über Postkarte (Bestellkarte), telefonisch oder in einer Filiale
    – Beliebt war auch der Ratenkauf – ohne Anzahlung, mit monatlichen Raten über 6 oder 12 Monate
  • Lieferung:
    – Meist per Postpaket, sperrige Waren per Spedition
    – Lieferzeiten lagen typischerweise zwischen 3 Tagen und 2 Wochen
  • Retouren:
    – Rücksendungen waren möglich, aber weniger verbreitet als heute
    – Kunden wurden oft gebeten, Retouren vorher anzumelden

Sortiment

  • Sehr breit gefächert, mit dem Anspruch, „alles aus einer Hand“ zu bieten:
    Mode und Bekleidung: Damen-, Herren-, Kinderkleidung
    Haushaltswaren: Küchenutensilien, Dekorationsartikel
    Möbel und Heimtextilien
    Elektronik: Radios, Fernseher, Küchengeräte
    Freizeitartikel, Spielzeug, später auch Autos (bei Quelle möglich)

Zielgruppen

  • Besonders attraktiv für:
    – Menschen in ländlichen Gebieten, mit eingeschränkter Geschäftsauswahl
    – Hausfrauen, die bequem von zu Hause aus einkaufen konnten
    – Junge Familien, die günstige Möbel und Haushaltswaren suchten
  • Versandhandel war auch ein sozialer Statusfaktor: Wer aus dem Quelle-Katalog bestellte, zeigte sich als moderner Konsument.

Herausforderungen und Grenzen

  • Wenig Individualisierung: Keine Maßanfertigung, kein direkter Kundenkontakt
  • Rückabwicklung schwierig: Retouren waren aufwändig
  • Konkurrenz durch stationären Handel: Gerade in Städten war das Warenhaus immer noch dominierend

Medien und Werbung

  • Werbung in Zeitschriften, Radio und zunehmend im Fernsehen
  • Viele Versandhäuser gaben eigene Kundenzeitschriften heraus (z. B. Quelle Journal)

Fazit

Der Versandhandel in den frühen 1970er Jahren war ein fester Bestandteil des westdeutschen Alltags und markierte einen wichtigen Übergang von traditionellen Konsumformen hin zu moderneren, kundenorientierten Einkaufserlebnissen. Er verband den Komfort des Einkaufens von zu Hause mit dem Reiz des modernen Konsums (auch mit Ratenzahlungen) und war ein Vorläufer des heutigen Onlinehandels.


Der Versandhandel in den frühen 70er Jahren

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